Kreis des Lebens
Hommage an das Leben
Die Chorgemeinschaft Dettingen Heuchlingen sorgte mit hoher Qualität beim Themenkonzert „Kreis des Lebens“ für ein begeistertes Publikum.
Es ist wahrlich nicht das, was man von einem Chorkonzert in einer Turn- und Festhalle erwarten würde. Beim Konzert der Chorgemeinschaft Dettingen Heuchlingen in der Hungerbrunnenhalle in Heuchlingen am vergange-nen Samstag gelingt es Chorleiter Markus Romes wieder einmal, seine Sänger auf ein Niveau zu führen, das deutlich über das Maß eines Laien-Chors hinausreicht. Unterstützt wird der Chor von vier renommierten Musikern: Eric Mayr und Veronika Weinmann am Klavier, Alexander Germani am Bass und Bernd Elsenhans (Percussion).
Dabei ist es nicht nur die qualitativ hochwertige musikalische Umsetzung, die den Abend zu einem besonderen Erlebnis macht. Romes versteht es, seine Konzerte als Gesamtarrangements zu gestalten, die eine tiefgehende Botschaft vermitteln, wenn man sich auf sie einlässt.
Thema des Konzertabends ist der „Kreis des Lebens“. Die Auswahl und Zusammenstellung der einzelnen Werke ist eigenwillig und kontrastreich, von Reinhard Mey bis Wolfgang Amadeus Mozart. Romes hat an der Zusammenstellung gefeilt wie ein Bildhauer an seiner Skulptur, deren einzelne Details an sich bereits faszinieren, deren volle Wirkung sich aber im Gesamtzusammenhang noch einmal gänzlich neu erschließt und zugleich viel vom Künstler selbst preisgibt.
Da folgt auf den Nummer eins Hit von Queen „Bohemian Rhapsody, der als „Coming-Out-Song“ von Freddie Mercury gilt und mit krassen Stilwechseln von Opern-Parodie bis Hardrock gegen jede Norm aufbegehrt, ganz unvermittelt das klassische kirchenmusikalische Werk „Cantique de Jean Racine“, das der französische Komponist Gabriel Fauré im Jahr 1865 für gemischte Chöre geschrieben hat, würdevoll und klanglich ausgewogen, getragen von ausladenden Melodien.
Ein andermal ist es die Leichtigkeit und Unbekümmertheit, zu der im Song „Always Look on the Bright Side of Life“ aufgefordert wird, die als Gegenstück auf die dramatische Anklage „Haben wir jemals innegehalten, um das Weinen der Welt zu hören“ in Michael Jacksons „Earth Song“ folgt.
Doch man spürt, es ist nicht die Lust auf Provokation, die hinter der eigenwilligen Zusammensetzung steckt, sondern ein tiefer Respekt vor dem Leben in seinen Höhen und Tiefen, in seiner Unberechenbarkeit und Liebenswürdigkeit – geprägt von einer festen Hoffnung auf einen gütigen Gott.
Gerade in der Umsetzung dieser Kontraste zeigt sich auch die Wandlungsfähigkeit des Chors. Die knapp 50 Sänger und Sängerinnen verstehen es, sich auf die verschiedenen Stilrichtungen einzulassen und die Intentionen der einzelnen Werke herauszuarbeiten. Dabei wechseln sie nicht nur durch die Jahrhunderte und Stilrichtungen, sondern auch durch Sprachen und Kulturen. Um sicherzugehen, dass dabei die inhaltliche Botschaft nicht verloren geht, wird zuvor jeweils eine deutsche Übersetzung der Texte vorgetragen.
Ohne Selbstzweifel wagen sich die Laien an stimmlich höchst anspruchsvolle Stücke und monumentale Werke heran wie „O fortuna“ von Carl Orff – was so gut umgesetzt wird, dass die Festhalle eigentlich zu schlicht und unscheinbar wirkt, um der Größe des Werkes und der Leistung des Chors gerecht zu werden. Hier zeigt sich auch die hervorragende Arbeit, die in der Stimmbildung geleistet wurde.
Das Konzert führt das Publikum an diesem Abend wie angekündigt durch einen kompletten Lebenskreis. Es beginnt mit dem Lied „Wenn die Sonne ihre Strahlen“, gesungen von den jungen Nachwuchssängern der Chorgemeinschaft, die als Young Voices unter der Leitung von Evgenia Mezencev immer wieder schön und mit sichtbarer Begeisterung im Konzert integriert sind. Der Weg führt vorerst erwartungsfroh und voller Lebensfreude voran, wenn er auch gelegentlich schon beschwerlich wird – gut ausgedrückt im hebräischen Lied „El haderech“. Dann weben die ersten schweren Moll-Töne dunkle Streifen in das Leben. Die Frage nach dem Sinn steigt auf, die Suche nach Gott. Gefühlvoll und bewegend formt der Chor im Kirchenlied „Ubi caritas“ von Ola Gjeilo die Zeilen aus dem ersten Johannesbrief zum gesungenen Gebet und hin zur Erkenntnis: Wo Liebe ist und Güte, da ist Gott.
Im Laufe des Konzerts erzählt die Musik von größter Euphorie und tiefster Verzweiflung, von Liebe und Einsamkeit, Freude und Leid. Der Lebenskreis mündet schließlich in der „Waldesnacht“ – das facettenreiche Meisterwerk der romantischen Chorliteratur von Johannes Brahms wird vom Chor eindrucksvoll nachgezeichnet.
Doch Romes lässt sein Publikum nicht in die Nacht zurück. Er lässt das Leben wiederauferstehen mit dem „Ersten Grün“. Dieses Werk hat Markus Romes selbst geschrieben, ein musikalisches Gemälde mit feinsten Nuancen, das Hoffnung schenkt und Trost spendet – und einmal mehr die feine Verständigung zeigt, die zwischen Chor und Chorleiter herrscht.
Am Ende setzt der Chor nochmals einen überraschenden Akzent: Mit „Morning has broken“ als vorletzten Programmpunkt eines zu Ende gehenden Abends. Welch mutige Hommage an das Leben.
Bericht: Karin Lorenz
Foto: Hanna Häberle